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MDR1-Gendefekt beim Hund – betroffene Rassen, Symptome und Erfahrungen1

Den meisten Haltern von betroffenen Rassen ist der MDR1-Gendefekt ein Begriff. Allerdings hört man auch immer wieder Fragen wie „Was ist das denn genau?“, oder „Woher weiß ich, ob mein Hund betroffen ist?“. Dies ist erschreckend, da der Gendefekt für Hunde lebensbedrohlich sein kann, wenn die Diagnose und die Bestimmung des MDR1-Status‘ nicht rechtzeitig erfolgt. Wir haben uns mit dem Defekt beschäftigt, möchten Euch über diesen aufklären und Euch einen Erfahrungsbericht zum Leben mit dem MDR1-Defekt geben.

Was ist der MDR1-Defekt?

Beim MDR1-Defekt handelt es sich grob gesagt um einen Gendefekt bei bestimmten Hunderassen, welcher eine Medikamentenüberempfindlichkeit gegenüber bestimmten Arzneimitteln verursacht. Die Abkürzung MDR steht hierbei für Multiple Drug Resistance, was bedeutet, dass der Hund im Gegensatz zu gesunden Hunden nicht die Möglichkeit hat das „Multidrug-Resistance-Protein 1“ zu bilden, welches dafür sorgt, körperfremde Stoffe wie Arzneimittel aus dem Körper heraus zu transportieren. Der MDR1-Transponder sorgt außerdem dafür, dass toxische Arzneistoffe die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können und in den Gehirnkapillaren zurückgehalten werden. Ein Fremdstoff, welcher im Blut zirkuliert und die Schranke überwinden möchte, wird erkannt und zurück ins Blut transportiert, so kann er nicht in das Nervengewebe eindringen. Da er bei betroffenen Hunden nicht vorhanden ist können die Arzneimittel die Blut-Hirn-Schranke ungehindert passieren, eine bis zu hundertfach höhere Konzentration als normal erreichen und somit große gesundheitliche, primär neurotoxische Schäden verursachen.

Welche Rassen sind betroffen?

Der MDR1-Defekt geht vermutlich auf einen Hund zurück, welcher zu großen Teilen an der Entstehung des Collies beteiligt war.
So wurde der Gendefekt auch hauptsächlich anhand dieser Rasse erforscht. Heute sind allerdings noch viele weitere Rassen bekannt, welche den Gendefekt exprimieren können, alle sind sie mehr oder weniger mit dem Collie verwandt, oder er war mit an ihrer Entstehung beteiligt. Die folgende Auflistung enthält alle Rassen, welche betroffen sein können und die dazugehörige prozentuale Häufigkeit. Natürlich können auch sämtliche Mischlinge aus diesen Rassen betroffen sein.

  • Kurzhaar Collie (68 %)
  • Langhaar Collie (55-57 %)
  • Longhaired Whippet (42-65 %)
  • Miniature Australian Shepherd (20-50 %)
  • Australian Shepherd (17-46 %)
  • Shetland Sheepdog (7-35 %)
  • Silken Windhound (18-30 %)
  • McNab (17-30 %)
  • Wäller (17-19 %)
  • English Shepherd (7-15 %)
  • Weißer Schäferhund (14 %)
  • Old English Sheepdog/ Bobtail (1-11 %)
  • Deutscher Schäferhund (6-10 %)
  • Border Collie (1-2 %)

Woher weiß ich, ob mein Hund auch betroffen ist?

Der MDR1- Defekt ist ein vererbbarer Gendefekt. Ein Hund hat genetisch gesehen drei Möglichkeiten für seinen MDR1- Status. Die erste Möglichkeit ist, dass der MDR1 (+/+) ist – das bedeutet er ist frei von dem Defekt und kann das notwendige Protein genau wie jede andere Rasse bilden. Die zweite Möglichkeit ist, dass der Hund den Genotyp MDR1 (+/-) aufweist, ihn also heterozygot vererbt bekommen hat.  Es kann vermehrt zu  Nebenwirkungen bei einer Therapie mit Zytostatika, makrozyklischen Laktonen (hochdosiert) und Loperamid (Imodium®) kommen. Die dritte Möglichkeit ist, dass der Hund MDR1 (-/-) ist und somit vom Defekt homozygot betroffen. Er ist somit hochgradig empfindlich gegen bestimmte Medikamente und vererbt den Defekt ebenfalls weiter.

Den MDR1- Status seines Hundes kann man sehr einfach mit ein paar Tropfen Blut und einem hierfür vorgesehenen Gentest überprüfen lassen. Außerdem können Hundebesitzer, welche ihren Hund von einem Züchter gekauft haben, unter Umständen bereits ausschließen, dass ihr Hund betroffen ist, falls beide Elterntiere frei, also (+/+) waren. War eines der Elterntiere (+/-) empfiehlt es sich trotzdem einen Test durchzuführen um herauszufinden, ob der eigene Hund frei oder heterozygot betroffen ist. Betroffene Tiere, also MDR1 (-/-), entstehen aus einer Verpaarung  der Genotypen (+/-) und (+/-) mit 25 % Wahrscheinlichkeit, (+/-) und (-/-) mit 50 % Wahrscheinlichkeit, oder (-/-) und (-/-) mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 %.

Welche Medikamente sind für Hunde die den Gendefekt tragen gefährlich?

Für betroffene Hunde oder jene welche Träger sind, gibt es durchaus eine nicht zu unterschätzende Anzahl von gefährlichen bis lebensbedrohlichen Arzneimitteln.

  • Makrozyklische Laktone: Ivermectin, Doramectin, Selamectin, Moxidectin, Milbemycinoxim (Verwendung als Antiparasitikum)
  • Loperamid: Imodium®(Verwendung als Antidiarrhoikum bei Durchfallerkrankungen)
  • Zytostatika: Vincristin, Doxorubicin (Verwendung  im Rahmen der Lymphomtherapie)
  • Emodepside: Profender®, Procox®
  • Opioide: Morphin, Methadon, Fentanyl, Butorphanol und andere (Verwendung zur Schmerzunterdrückung)

Es gibt noch weitere sehr gebräuchliche Medikamente, welche für betroffene Hunde kritisch sein können – zum Beispiel Magenschutzpräparate wie Cimetidin und Ranitidin, Antimykotika, welches bei Pilzbefall verabreicht wird, Ketoconazol und Itraconazol, das Immunsuppressivum Cyclosporin A, einige gängige Antibiotika, oder auch das beliebte Sedativum Acepromazin.

Medikamente, die zugelassen und getestet wurden sind z.B.: Advocate®, Stronghold®, Milbemax®, sowie Program Plus®.

Eine ausführliche Ampel mit weiteren Medikamenten ist hier sehr schön einzusehen: https://www.transmit.de/mdr1-defekt/pic/tab_3.gif

Leider kann es vorkommen, dass Medikamente die vorerst gut vertragen werden im weiteren Lebenslauf des Hundes ebenfalls kritisch einzustufen sind, oder Behandlungsmöglichkeiten bestimmter Krankheiten durch den Defekt eingeschränkt werden.

Mein Hund ist betroffen, was nun?

Grundsätzlich ist es erst einmal kein Weltuntergang wenn der Hund von dem MDR1- Defekt betroffen ist. Bei vielen Hundebesitzern löst die Nachricht über einen Gendefekt, mit möglicherweise indirekter Todesfolge regelrechte Angstzustände aus – das muss es aber nicht. Betroffene Hunde können ein weitestgehend normales Hundeleben führen, wenn man sich an wenige Regeln hält.

Die Unverträglichkeit gegenüber vielen Medikamenten, welche durch den Defekt ausgelöst wird, sollte unbedingt in der Akte bei einem Tierarzt, welcher sich mit diesem Defekt auskennt vermerkt werden. Sicherheitshalber kann man seinen Tierarzt vor jeder Medikamentengabe aber auch noch einmal freundlich erinnern.

Auch getestete Medikamente müssen sehr genau dosiert werden, auf keinen Fall darf einem Hund eine zu hohe Dosis verabreicht werden. Außerdem muss bei Spot-On's darauf geachtet werden, dass der Hund keine Möglichkeit hat oral mit dem Mittel in Kontakt zu kommen, also es zum Beispiel ablecken könnte. Bereits geringe Abweichungen in der Medikamentengabe können eine Reaktion auslösen.

Ein großes Risiko lauert auf den Spazierwegen, welche man mit seinem besten Freund bestreitet – nämlich in den Pferdeäpfeln. Pferde werden regelmäßig mit dem Wurmmittel Ivermectin entwurmt und zwar in einer für Hunde doch enorm hohen Dosis. Rückstände befinden sich im Kot der Tiere und viele Hunde haben dieses wortwörtlich zum Fressen gern. Bereits kleine Mengen können jedoch eine Vergiftung auslösen. Auch in dem Kot anderer Tierarten können sich Rückstände von Medikamenten befinden, deshalb gilt es auch hierauf zu achten.

Da das MDR1-Protein auch für andere Transportmechanismen im Körper zuständig ist, können eventuell noch andere Effekte auftreten, müssen es aber nicht. So kann möglicherweise eine Suppression von Schilddrüsenhormonen auftreten, die Tiere können stressanfälliger sein, oder erholen sich langsamer von Erkrankungen. Als mögliche weitere Folge des Defektes wird auch eine erhöhte Anfälligkeit für chronisch entzündliche Darmerkrankungen vermutet.

Kati & Horton- Unser Leben mit dem MDR1- Defekt

Horton ist dreieinhalb Jahre alt und ein Australian Shepherd Rüde- und Horton ist vom MDR1- Defekt betroffen, denn er ist (-/-). Ursprünglich kommt der hübsche Rüde aus Ungarn, wurde aber mit sieben Monaten von seiner Besitzerin Kati von einem Züchter aus Deutschland übernommen. Er sollte Deckrüde werden, auch deshalb hat Kati ihn schnell auf seinen MDR1-Status testen lassen. Beim ersten Mal wurde noch auf einen Fehler des Labors gehofft, also folgte ein zweiter Test, doch auch dieser bestätigte den Defekt. Zum Glück hat Horton bisher jedoch keine Probleme. Er besucht nur Tierärzte, die sich bestens auskennen und in seiner Akte ist dick unterstricken vermerkt, dass der betroffen ist. Medikamente brauchte er noch keine und Sedierungen und Narkosen wurden genau auf ihn abgestimmt, so dass alles reibungslos verlief. Von weiteren Defiziten, welche vom MDR1-Defekt ausgelöst werden können, blieb er glücklicherweise verschont. Kati bestätigt mir, dass Horton ein ganz normales Hundeleben führt und sie sonst auf nichts achten braucht – naja bis auf die Pferdeäpfel. Auch Horton gehört zu den Hunden, welche sie (mir unerklärlicherweise) für äußert delikat halten. Deshalb bleibt er in der Nähe von Pferden immer an der Leine. Auch wenn es weitestgehend unbedenkliche und getestete Parasitenmittel für Horton gäbe, vertraut Kati was das angeht lieber natürlichen Mitteln und benutzt ein Keramikhalsband gegen Zecken.

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